Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GFK)?

Die “Gewaltfreie Kommunikation” ist ein von Marshall Rosenberg entwickelter Kommunikations- und Konfliktlösungsprozess. Rosenberg war ein Schüler Carl Rogers und wurde durch den Ansatz der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie inspiriert. Prägend war vor allem die humanistische Haltung. Rosenberg erforschte, inwieweit unsere Sprache zu Gewalt beiträgt.
Grundlegend soll GfK Menschen ermöglichen, in einer Art und Weise miteinander zu kommunizieren, die zu mehr Vertrauen, Klarheit und Freude in Gesprächen führt. GfK kann in diesem Sinne sowohl bei der Alltags-Kommunikation als auch bei friedlichen Konfliktlösungen im persönlichen, beruflichen oder politischen Bereich hilfreich sein. Im Vordergrund steht die Entwicklung einer wertschätzenden Beziehung, die langfristig mehr Kooperation und gemeinsame Kreativität im Zusammenleben und Arbeiten ermöglicht.

Marshall B. Rosenberg

Marshall B. Rosenberg wurde am 6. Oktober 1934 in Ohio (USA) geboren. Als Jugendlicher in den 1940er-Jahren aufgrund seiner jüdischen Wurzeln oft ausgegrenzt, erlebte er auch bei seinen Mitmenschen, dass diese aufgrund ihrer kulturellen Identität und Hautfarbe in Konflikte gerieten. Eine Zeit, die den späteren Psychologen tief prägte. „Frieden erfordert etwas weitaus schwierigeres als Rache auszuüben oder nur die andere Wange hin zu halten; es erfordert empathisch mit den Ängsten und unerfüllten Bedürfnissen umzugehen, welche den Antrieb liefern, sich gegenseitig anzugreifen.“

Viele Konflikte drehen sich um die Frage, welche Strategie denn die richtige sei. Gewaltfreie Kommunikation stellt eine andere Frage: welches Bedürfnis versucht sich der Mensch mit dieser ausgewählten Strategie zu erfüllen? Wenn wir dieses erkennen, können wir gemeinsam nach einer Strategie suchen, die niemandem schadet. Unsere Bedürfnisse verbinden uns. Unsere Strategien jedoch können uns trennen, da sie z.B. in einer bestimmten Situation, einer Kultur, einer Religion oder einem anderen relativen Kontext entwickelt wurden.

GFK lädt dazu ein, sich dieser Muster und Prägungen sowohl persönlich als auch als Gruppe oder für Systeme bewusst zu werden. Ziel ist es, lebensdienliche Systeme zu entwickeln und dabei eine Sprache zu sprechen, die uns wirklich berührt und Begegnung möglich macht.

Dazu bietet GFK unterschiedliche konkrete Werkzeuge an, z.B. den sogenannten Viererschritt. Dieses Werkzeug lädt dazu ein, eine Situation zu beobachten und zu beschreiben. Das durch die Situation ausgelöste Gefühl weist auf ein dahinter liegendes Bedürfnis, das es zu identifizieren gilt. Wenn dieses erkannt ist, kann eine zielgerichtete Strategie oder Handlung entwickelt werden, die das Bedürfnis erfüllt. Dazu können auch Bitten an andere ausgesprochen werden. Dieses Werkzeug ist auch für den zweiten Teil der GFK anwendbar. Neben dem authentischen Selbstausdruck geht es bei der GFK um das einfühlsame Hören. Dieses Hören geschieht aus der Haltung heraus, dass die mir begegnende Strategie das Bestmögliche ist, was den Handelnden zur Verfügung stand, um sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Durch diese vertrauende Haltung trägt GFK zum Frieden bei. Eine kurze Definition von GFK wäre: wir Menschen sind soziale Wesen und aufeinander bezogen. Menschliches Leben ist geben und nehmen. GFK bietet eine Sprache, die uns darin unterstützt, das zu leben.

Die Vision von GFK ist, dass es möglich ist, eine Welt zu schaffen, in der die Bedürfnisse aller gehört und respektiert werden und wir Lösungen finden, um sie zu erfüllen, die niemandem und nichts schaden. Dahinter steht die Überzeugung, dass genug für alle da ist.

Wo fange ich genau an, worauf achte ich, wenn ich Gewaltfreie Kommunikation anwenden möchte?

Für uns fängt es mit dem Wunsch an, Beziehungsqualitäten zu verändern und zu verbessern. Zusammen mit der Erkenntnis, dass wir nicht gelernt haben, kompetent mit Konflikten umgehen zu können. Wir haben oft Vermeidungsstrategien, versuchen den Konflikten aus dem Weg zu gehen anstatt ihnen zu begegnen. Typische Vermeidungsstrategien sind das Aussitzen und das Nicht-Ansprechen in der Hoffnung, das der eigentliche Konflikt von alleine verschwindet. Oder zum Beispiel das Versachlichen und ignorieren von emotionalen Zuständen. Warum machen wir das? Wir haben kein Handwerkszeug, um Konflikte so ansprechen zu können, dass die Beziehung keinen Schaden nimmt oder der Konflikt noch weiter angefeuert wird.

 

Welche Ausdrücke, Sprachmuster und Worte gilt es zu vermeiden?

Unsere gelernte Sprache und und unser Blick basiert auf einem Täter-Opfer-Denken und dem Schuldprinzip. Wenn ich mit diesem Denken in Begegnung gehe und auf diese Art und Weise Probleme ansprechen möchte, macht der Andere eher die Tür zu und geht entweder in den Rückzug oder in den Angriff. Marshall Rosenberg empfiehlt die Kommunikationssperren zu vermeiden. Das sind belehren, befehlen, warnen, beschimpfen, predigen, drohen, ablenken, loben, beschämen und urteilen. Die Klarheit darüber, was wir vermeiden sollten, hilft uns noch nicht zu wissen, was wir stattdessen tun können. Der Lernprozess der GFK basiert darauf, Werkzeuge und Ansätze an die Hand zu bekommen, um konkret handeln zu können. Die Unterscheidung von Beobachten und Bewerten ist eine, der über 48 Schlüsselunterscheidungen in der GFK .
Beobachten statt bewerten: Wenn ich eine Situation subjektiv bewerte und es mir auffällt, habe ich die Chance in die Beobachtung des Geschehens zu wechseln. Durch bewusstes Trennen zwischen Beobachtung und Bewertung kann ich offen, neugierig und unvoreingenommen bleiben.

 

Wie genau kommuniziere ich meine eignen Bedürfnisse und wie erkenne ich die Bedürfnisse meines Gegenübers?

Die erste Herausforderung ist es, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Wir beschäftigen uns eher mit unseren Interpretationen über das Verhalten des Gegenübers oder uns selbst. Hier hilft die zweite Schlüsselunterscheidung Fühlen statt denken. Ich kann das erst mitbekommen, wenn ich den Fokus vom Gegenüber verschieben kann. Stellen Sie sich das vor, wie einen Taschenlampenstrahl, den Sie statt auf den Anderen auf Ihre eigene emotionale Lebendigkeit richten. Jetzt erst haben Sie den Zugang geschaffen, um eigene Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen.

 

Was sind die typischen unbewussten verbalen Auslöser von Missverständnissen und Agressionen und wie kann man sie aus dem Weg räumen?

Jemand teilt uns etwas aus seiner Welt mit, schildert ein Problem und wir geraten – teilweise auch nur durch einzelne Worte – in starke Resonanzen. Wir packen eine eigene Bewertung auf das eigentlich Gesagte des Anderen und sind nicht mehr in der Lage wirklich zuzuhören.Zum Beispiel, wenn der Partner sagt:“ Du nimmst dir viel zu viel Zeit für deine Freundin!“ Die Partnerin hört darin einen Vorwurf und geht sofort in eine Verteidigungshaltung: “ Du bist ja auch ständig mit deiner Arbeit beschäftigt!“ Außerdem braucht sie mich!!!“ Hier fängt ein typischer Schlagabtausch oder Pingpong- Effekt an. Ein Wort gibt das andere. Es entsteht sehr schnell Frustration und Verzweiflung, nicht gehört zu werden mit dem, was bei uns gerade los ist und dies wiederum führt ganz schnell mal zu einer lauteren Stimme und zu Aggressionen.

 

Wie genau schafft man es, Urteile und Kritik in seiner Sprache/Ausdrucksweise zu vermeiden?

… mit sehr viel Training. Die größten Herausforderungen sind unsere emotionalen Reaktionen auf ein Verhalten, einen Satz und manchmal reicht sogar auch nur ein „falsches Wort“ und wir sind auf unserer inneren Rennbahn. Und jeder weiß, ein rennendes Pferd stoppt man nicht so leicht. Und genau darin liegt das eigentliche Training: zu merken und mitzukriegen, wann das Pferd losstürmen will. Das ist die Chance, nicht mit Gegenangriffen, Urteilen und Kritik zu reagieren. Das alles hat viel mit Selbstreflexion, Bewusstwerdung und Persönlichkeitsentwicklung zu tun. Hier eine andere Ausdrucksweise zu finden ist harte Arbeit, die sich jedoch in allen Nuancen lohnt.

 

Was ist der erste verbale Schritt, um in Konflikten verhärtete Fronten aufzulösen?

Der erste Schritt ist es, dem Anderen seine Verhärtung zugestehen können, nicht beschwichtigen wollen, stattdessen würdigen und respektieren und ernst nehmen. Es hilft nichts zu sagen: Reg dich doch nicht so auf, ist doch nur eine Kleinigkeit!“ Unterstützender ist es, den Ärger stehen lassen zu können in Form von: „Ja, ich merke, das regst dich gerade richtig auf!“ Damit darf in einem Konflikt jeder emotional da sein, so wie er gerade ist und muss dies nicht auch noch verteidigen. Der Ärger geht meist recht schnell weg, wenn er da sein darf und nicht als Bedrohung wahrgenommen wird. Das Bedeutet, dass wir in der Gewaltfreien Kommunikation neue Denkanstöße bekommen und lWege entdecken, mit  Emotionen wie Wut, Ärger, Schuld, Scham und Trauer umzugehen.

 

Richtiges Zuhören ist das Fundament einer guten Konversation/Debatte, aber es fällt den Menschen oft extrem schwer. Wie kann man lernen, besser zu zuhören?

Von STEPHEN R. COVEY kommt das schöne Zitat „Die meisten Leute hören nicht zu, um zu verstehen, sondern um zu antworten.“ Wir vermuten, genau das macht es schwer, dem Anderen wirklich zuzuhören. Oft haben wir schon unseren eigenen Film am Laufen, wenn uns jemand etwas erzählt und wir warten sehnsüchtig darauf, unsere eigenen Erfahrungen dazuzugeben. Das andere Zuhören braucht Offenheit, Neugier, Unvoreingenommenheit und die Ressource, die eigenen Themen für eine Weile zu parken. Dann können wir unsere Aufmerksamkeit auf die Welt der Anderen richten und uns überraschen lassen.

 

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